Dem Wassersportler sollen die Aussagen von Seewetterberichten verständlich gemacht werden.
Was kann er den Seewetterberichten entnehmen, was muss er selbst interpretieren?

 Ein Beitrag von Ralf Brauner, DWD Hamburg

In internationaler Absprache sind Seewetterberichte immer nach einem bestimmten Schema aufgebaut: Als erste Information werden am Anfang vieler Seewetterberichte Warnungen, und zwar Starkwind- oder Sturmwarnungen, verkündet. Die Grenze für eine Starkwindwarnung ist das Erreichen der Windstärke 6 und 7 Beaufort, für die Sturmwarnung 8 Beaufort und mehr. Sie wird ausgesprochen, wenn in einem Vorhersagegebiet Starkwind oder Sturm in den nächsten 6 bis 8 Stunden erwartet wird, oder verlängert, wenn die Starkwindgefahr oder Sturmgefahr andauert. Danach folgt die Wetterlage mit der Beschreibung, Intensitäts- und Ortsänderungen der Druckgebilde, die für die Vorhersagegebiete wichtig sind. Außerdem werden Fronten und Tröge beschrieben. Dann folgen die Vorhersagen und Aussichten für die einzelnen Vorhersagegebiete. Am Ende werden in den meisten Fällen noch Stationsmeldungen von Wetterstationen an den Küsten und in den Vorhersagegebieten ausgestrahlt. Die Vorhersage für die Deutsche Bucht für die nächsten 12 Stunden lautet zum Beispiel: Südwest 5, später 6, Schauerböen, sonst gute Sicht.

Was beinhaltet die Aussage?

Die Windrichtung wird in der Genauigkeit + 25 ° angegeben und zwar mit den folgenden Richtungen N, NE, E, SE, S, SW, usw. Das heißt also für das Beispiel Deutsche Bucht, dass der Wind aus 220 bis 250 ° weht. Oft hört oder liest man auch "Süd bis Südwest". Hiermit sagt der Meteorologe vorher, dass der Wind aus 180 bis 225 Grad wehen wird. Die Richtungsänderung wird explizit in der Vorhersage angegeben und kann zum Beispiel heißen "nordwestdrehend". Oft werden auch die Begriffe rückdrehend (entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn) und rechtdrehend (im Uhrzeigersinn) verwendet, wenn die Änderung der Windrichtung größer als 45 ° ist. Die Windstärke wird in Beaufort angegeben. Diese Beaufort- Stärke bezieht sich auf einen mittleren, länger andauernden Zeitraum. Manchmal hört man auch in der Vorhersage "um 4". Das bedeutet "hohe" Windstärke 3 bis "niedrige" Windstärke 5. Zusätzlich zum Mittelwind muss mit Böen gerechnet werden, die etwa 2 Beaufortstufen höher sein können. Nach einer Kaltfront ist die Luftmasse oft sehr labil, so dass insbesondere bei Schauertätigkeit Böen über 2 Beaufortstufen auftreten können. Dann wird der Begriff der Schauerböen verwendet. Besonders im Sommer hört man auch Gewitterböen. Sie werden erwähnt, weil oft bei Gewitterlagen vor Beginn der Gewittertätigkeit der Mittelwind sehr niedrig ist, etwa nur 2 bis 4 Beaufort. Bei sommerlichen Gewitterlagen können durchaus Gewitterböen zwischen 7 und 10 Beaufort auftreten, aber selten treten Böen bis Orkanstärke (12 Beaufort. Die Höhe der zu erwartenden Gewitterböen wird in der Vorhersage in etwa angegeben. Zu beachten ist hierbei, dass Gewitter nur sehr lokal auftreten und somit manchmal nur einen sehr kleinen Teil des Seegebiets beeinflussen, (in Seewetterberichten für das Mittelmeer hört man auch Mistral- oder Boraböen. Hier wird die starke Böigkeit bei diesen besonderen Windsystemen im Mittelmeer unterstrichen.)Vielfach werden für die Vorhersage der Windstärke, Windrichtung, Sicht und Seegang die Attribute rasch, später und langsam verwendet. So bedeutet zum Beispiel "langsam nordwestdrehend", dass über den Vorhersagezeitraum die Windrichtung allmählich auf Nordwest drehen wird. "Rasch nordwestdrehend" wird insbesonders bei Kaltfrontpassagen verwendet, wenn der Wind markant und innerhalb von l bis 3 Stunden seine Richtung ändert. "Später nordwestdrehend" heißt, dass zum Ende des Vorhersagezeitraums die Windrichtungsänderung eintreten wird. Zu beachten ist, dass sich z. B. die vorhergesagten Windrichtungsänderungen etwa auf die geographische Mitte des Vorhersagegebiets beziehen. Schwenkt z. B. eine Kaltfront von Jütland ostwärts über die Westliche Ostsee hinweg und die Vorhersage lautet "später nordwestdrehend", dann heißt das, dass die Windrichtung sich bei Kiel Leuchtturm etwa 4 Stunden vor Ende des Vorhersagezeitraumes einstellt. Dagegen wird sich bei Fehmarn und Mön etwa 2 Stunden-, bei Rügen etwa eine halbe Stunde vor Ende des Vorhersagezeitraumes die Windrichtung ändern. Diese, sich aus der Größe der Vorhersagegebiete ergebenden Unterschiede, lassen sich auf viele Vorhersagegebiete übertragen. Sie müssen unbedingt bei der Törnplanung beachtet werden.

 

In den Vorhersagen für die nächsten 12 Stunden werden auch Angaben über die Sicht verbreitet. Für die Seewetterberichte der Rundfunkanstalten ist aufgrund der Sendezeit vereinbart worden, dass die Sicht nur erwähnt wird, wenn sie diesig (l bis 4 km) oder schlechter ist, wie zum Beispiel Nebel (< l km) oder schlechte Sicht. Schlechte Sicht hat eine ähnliche Aussage wie diesig; hier ist die Sichttrübung durch den Niederschlag hervorgerufen. Selten, aber insbesondere im Winter/Frühjahr und den Vorhersagegebieten wie Zentrale- und Nördliche Nordsee wird Frost vorhergesagt. Diese Größe wird nicht unmittelbar bezüglich der Auswahl der Kleidung vorhergesagt, sondern hat etwas mit der Schiffsvereisung zu tun. Diese kann auch bei Segel- und Motoryachten, besonders bei Stahlschiffen, auftreten. Bei Frost etwa ab minus 5 Grad Celsius und Wassertemperaturen um den Gefrierpunkt kann es durch Gischt, Spritzwasser und Niederschläge zur Vereisung am Schiffsrumpf und Takelage kommen. Durch dieses zusätzliche Gewicht taucht das Schiff tiefer ein. Noch gefährlicher ist es, das sich auch durch den Eisansatz der Schwerpunkt ändert, und damit das Schiff leichter krängt oder sogar kentert.

Nun sollen noch einige Punkte beleuchtet werden, die von dem Nutzer der Seewetterberichte im wesentlichen selbst interpretiert werden müssen, da sie in der Ausführlichkeit nicht in den Vorhersagen und Aussichten der Seewetterberichte berücksichtigt werden können. Viele ergeben sich allerdings aus der Erfahrung, die man in seinen Segelrevieren gesammelt hat. Dazu zählen zum Beispiel Düsen-, Eckeneffekte und Küstenführung. Sie können das Windfeld entscheidend verändern. Beispiele für Düseneffekte sind die Straße von Bonifacio oder die Straße von Gibraltar. Dort wird der Wind sozusagen durch eine Meeresenge hindurchgepresst und dadurch beschleunigt. So kann sich die Windgeschwindigkeit um 2 bis 5 Beaufort erhöhen. Aber auch zwischen Schären der Ostsee und den Inseln der Ägäis sind solche "Düsen" vorhanden. Der Eckeneffekt ergibt sich, wenn der Wind um eine Barriere, wie zum Beispiel um eine Landzunge herumgeführt wird. Der Wind wird in Luv der Landzunge beschleunigt, in Lee abgebremst. Die Richtung des Windes wird zum Teil sehr stark verändert oder es bilden sich Wirbel. Unter der Küstenführung versteht man, dass der Wind von einem Gebirge oder eine Steilküste "geführt" wird. Der Wind nimmt zu, wie man es z. B. häufig an den Küsten von Norwegen beobachten kann. Auch eine Kombination der beschriebenen Effekte ist denkbar. 

Die Land- Seewind- Zirkulation ist eine kleinräumige Zirkulation, die küstennah das Windfeld sehr stark verändern kann. Tagsüber wird durch Sonneneinstrahlung das Land stärker erwärmt als das Meer. Über dem Land bildet sich ein lokales Tief, über dem Meer relativ dazu ein Hoch. Daher strömen die Luftmassen tagsüber vom Meer zum Land, in der Nacht verhält es sich umgekehrt. Dieser zusätzliche Wind kann den eigentlichen Grundwind, der ja auf der freien See herrscht, küstennah erheblich verstärken, abschwächen oder in der Richtung verändern. Dieses tritt besonders im Mittelmeer auf, aber in der Nord- und Ostsee stellen sich solche Zirkulationen ein. Nur sehr eingeschränkt können solche lokalen Veränderungen an einem Küstenabschnitt eines Seegebietes in einem Seewetterbericht mitgeteilt werden, da die Vorhersage sonst mehrere Zeilen in Anspruch nehmen würde. Seegang wird seit etwa zwei Jahren in vielen Seewetterberichten angegeben. Mit den Rundfunksendern wurde vereinbart, dass in den Vorhersagen auf den höheren Seegang hingewiesen wird. (Nordsee höher als 3 Meter, Ostsee höher als 1,5 Meter)! In den Aussichten wird Seegang nur dann erwähnt, wenn er in der Nord- oder Ostsee 6 m übersteigt. Dabei handelt es sich um den "signifikanten Seegang", sozusagen das Mittel aus den höchsten Wellenhöhen. Strömungen und Effekte durch Flachwasser (Grundseen!) können nicht berücksichtigt werden. Dadurch kann es aber zu einer wesentlichen Verkürzung der Wellenlänge und zu einer erheblichen Zunahme der Wellenhöhe um das anderthalb bis zweifache kommen. Noch etwas zu den in Seewetterberichten aufgeführten Stationsmeldungen. Zu beachten ist, dass die an der Wetterstation gemessene Windrichtung und Windstärke für ein Seegebiet nicht immer repräsentativ sind. Zum einem handelt es sich um eine "gemittelte Windstärke" über einen Zeitraum von 10 Minuten, so dass Windspitzen nicht erfasst werden. Oft liegen die in Seewetterberichten verwendeten Wetterstationen an der Küste. Daher wird wie schon vorher beschrieben, bei ablandigem Wind die Windgeschwindigkeit reduziert und der Wind rückgedreht sein. Bei auflandigem Wind kann es je nach Lage der Station zu einer Erhöhung der Windgeschwindigkeit kommen, besonders dann, wenn der Messfühler in einiger Höhe über dem Meersspiegel angebracht ist, wie zum Beispiel bei List auf Sylt in 26 Meter Höhe. Dort werden Winde aus westlichen Richtungen überhöht gemessen. Außerdem kann der Wind durch die küstennahe Land- Seewind- Zirkulation stark verfälscht sein. Dieses gilt es zu beachten, daher können nicht ohne zusätzliche Interpretation die Windverhältnisse an einer Wetterstation auf die freie See übertragen werden. Selbst Stationen auf dem Meer, wie zum Beispiel Kiel Leuchtturm zeigen je nach Anströmung und Umströmung des Turmes veränderte Windgeschwindigkeiten an.